Was ist Gamification?
Gamification ist eine Wortbildung aus dem englischen Wort „game“ für „Spiel“). Gamification überträgt spieltypische Elemente und Vorgänge in spielfremde Zusammenhänge. Ziel des Gamification ist es, spielerisch die Motivation der Anwender/innen zu steigern und Verhaltensänderungen herbeizuführen. Es findet eine spielerische Auseinandersetzung mit einem bestimmten Thema statt. Die Anwender werden auf spielerische Art und Weise und ohne Zwang durch das Spiel geleitet. Ein weiterer gebräuchlicher Begriff für Gamification ist „Gamifizierung“.
Spielerische Elemente werden also bewusst eingesetzt, um für nicht auf ein Spiel bezogene Aufgaben und Bereiche ein spielerisches Erlebnis zu schaffen. Während der Zweck eines Spiels der ist, zu spielen – das Spiel also Selbstzweck ist, bedient sich Gamification des Spiels als Mittel zum Zweck. Gamification macht nicht nur Spaß und unterhält, es will damit auch einen bestimmten – über das spielerische Erlebnis hinausgehenden – Zweck erreichen. Ein erwünschtes Verhalten in der Realität wird mit der Abbildung dieses Verhaltens in einer gamifizierten Umgebung verbunden: Die Tacho-Nadel quasi mit dem grünen Smiley. Runter vom Gas und verdien‘ Dir Dein Lächeln.
Das lässt sich am eingangs erwähnten Beispiel verdeutlichen:
Die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Straßen ist eine ordnungsrechtliche Vorgabe der Straßenverkehrsordnung (StVO). Eine vorgegebene Geschwindigkeit darf nicht überschritten werden. Die Geschwindigkeitsbegrenzung ist kein Spiel. Der Verordnungsgeber der StVO bezweckte kein Spiel mit Leben und Tod auf deutschen Straßen. Er wollte Gesundheit und Leben der Verkehrsteilnehmer schützen. Die bußgeldbedrohte Vorgabe zur Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit genügt allerdings nicht immer, um die Verkehrsteilnehmer zur Einhaltung zu motivieren. Die Smiley-Anzeige kann die Verkehrsteilnehmer dazu ermuntern, die Geschwindigkeit einzuhalten. Wer also bremst, um noch einen lachenden Smiley zu ergattern, schützt zugleich andere Verkehrsteilnehmer.
Gamification in der Vertragsgestaltung
Natürlich lassen sich Elemente des Gamification an zahlreichen weiteren Stellen abbilden. Definierte Zielwerte in Verträgen lassen sich gleichfalls durch Smiles visualisieren. Vereinbaren also die Vertragspartner in einem Vertrag ein bestimmtes Ziel, so könnte der Smiley den aktuellen Status anzeigen. Die Stimmung verdunkelt sich, wenn die Performance einer Vertragspartei nachlässt und das Projekt zu scheitern droht. Grün wird’s, wenn sich die Ergebnisse im vereinbarten Bereich orientieren. Das Feuerwerk erscheint dann bei Erreichung des Ziels.
Ein Vertrag allein wird selten umgesetzt. Selbst manche Juristen sehen einen Vertrag nur als Notlösung, falls die Parteien sich nicht an die Spielregeln halten oder scheinbar einvernehmlich von diesen abgewichen sind. Derweil wären beide Vertragsparteien durchaus an einer vernünftigen Umsetzung interessiert. So wollen doch beispielsweise im Vertragsverhältnis über eine App-Entwicklung Auftraggeber und Auftragnehmer meist gleichermaßen zum Ziel kommen. Der Auftraggeber will zeitnah seine App in Betrieb nehmen, der Auftragnehmer sich nicht schadenersatzpflichtig machen. Der aktuelle Entwicklungsstand ließe ich durch einen visualisierten Hasen auf der Strecke abbilden.
Was letztlich umsetzbar ist, stellt sich als eine Frage des Einzelfalls heraus. Die spielerischen Möglichkeiten sind jedoch unbegrenzt und untereinander kombinierbar. Bei der Vertragsgestaltung könnten und sollten Juristen sich der Technik der Visualisierung und Gamifizierung jedenfalls bewusst sein und deren Einsatz in Erwägung ziehen.
Potential für die öffentliche Verwaltung
Die öffentliche Verwaltung kann ebenfalls von den Methoden des Gamification profitieren. Der am Wegesrand aufgebaute Smiley-Charakter hat dies bereits eindrucksvoll bewiesen. Dabei ließen sich die Methoden des Gamification auch in zahlreichen anderen Bereichen abbilden: Der Hinweis, dass 95 % der Wettbewerber bereits ihre Umsatzsteuervoranmeldung abgegeben haben, könnte zu einer rechtzeitigen Abgabe der Erklärung motivieren. Die Möglichkeiten sind vielfältig .
Rechtliche Grenzen
Damit einher geht natürlich die im Einzelfall zu prüfende Frage, ob die Form des Spieleinsatzes per se rechtlich zulässig ist. Grundsätzlich ist Gamification nicht verboten. Wettbewerbswidrig kann es sein, wenn Anbieter eines Onlineshops wahrheitswidrig behaupten, dass nur noch „3 Stück“ eines bestimmten Produkts zur Verfügung stünden, um den Anreiz zum Kauf zu erhöhen. Das wäre vermutlich unlauter, da irreführend. Das Gamification sollte daher auf irreführende Handlungen verzichten.
Auch der Datenschutz spielt bei Gamification eine wesentliche Rolle. Selbst wenn beispielsweise „im Spiel“ die Arbeitnehmer in die Überwachung von Gesundheitsdaten einwilligen, kann die Erhebung unzulässig sein.
Weitere Risiken bestehen darin, dass sich der mit dem Spiel beabsichtigte Zweck pervertiert. Dem ist rechtzeitig entgegenzuwirken. Ein negativer Rekord wäre vermutlich zu verzeichnen, wenn Autofahrer beabsichtigen, den Negativ-Score zu knacken – möglichst viel Geschwindigkeitsübertretungen an einem Tag. Es könnte daher besser sein, die Zahl der Geschwindigkeitsübertretungen nicht öffentlich preiszugeben.
Spaß an Recht
Recht mit Spielcharakter kann Freude machen. Und hat Potential. Wie genau sich Maßnahmen umsetzen lassen, klären wir gerne mit Ihnen. Wir befassen uns mit Legal Design und Legal Tech, und setzen die Methoden von Gamification in der rechtlichen Gestaltung mit Ihnen um.